Ontario: Testamentarische Erbfolge

Kanada

Gesetzliche Grundlagen

Die testamentarische Erbfolge ist in Part I (Testate Succession) des Succession Law Reform Act (SLRA) geregelt. Das Erbrecht von Ontario ist vom Grundsatz vom Prinzip der Testierfreiheit bestimmt, d.h. der Erblasser ist im Grundsatz in der Gestaltung seines Testaments frei.

Testierfähigkeit

Das Testament einer Person, die noch nicht 18 Jahre alt ist, ist unwirksam, es sei denn

  • sie war oder ist verheiratet,
  • das Testament wurde in Ansehung einer bevorstehenden Hochzeit errichtet wurde oder
  • sie ist ein Mitglied der kanadischen Streitkräfte (Sec. 8 SLRA).

Form des Testaments

Zwei-Zeugen Testament

Regelform ist das Zwei-Zeugen-Testament. Dieses muss schriftlich sein (siehe Sec. 3 SLRA).

Die Wirksamkeit setzt voraus, dass es

  • am Ende vom Erblasser oder einer anderen Person in seiner Gegenwart und unter seiner Leitung unterzeichnet wird;
  • der Erblasser die Unterschrift in Gegenwart von zwei oder mehr gleichzeitig anwesenden Zeugen vornimmt oder bestätigt; und
  • zwei oder mehr der bezeugenden Zeugen das Testament in Anwesenheit des Erblassers unterzeichnen (Sec. 4 SLRA). 

Testamentarische Zuwendungen an einen Zeugen oder Ehegatten eines Zeugen sind unwirksam; das Testament ist aber ansonsten wirksam, siehe Sec. 12 (1) SLRA.

Das Nachlassgericht (Superior Court of Justice) kann aber die Verfügungen für wirksam erklären, sofern es davon überzeugt ist, dass weder der Zeuge noch sein Ehegatte einen unzulässigen Einfluss auf den Erblasser ausgeübt hat, siehe Sec. 12 (3) SLRA. 

Wenn das Testament von mindestens 2 Zeugen, die nicht nach Sec. 12 (1) SLRA ausgeschlossen waren, bezeugt wurde, sind die Zuwendungen an die ausgeschlossenen Zeugen und deren Ehegatten wirksam. 

Der Nachlassabwickler kann Zeuge sein, siehe Sec. 13 SLRA. 

Eigenhändiges Testament

Auch ein Testament, dass der Erblasser vollständig mit der eigenen Hand verfasst und unterschreibt ist zulässig, siehe Sec. 6 SLRA.

Position der Unterschrift

Was die Stellung der Unterschrift betrifft, so ist ein Testament, ob eigenhändig oder nicht, gültig, wenn die Unterschrift des Erblassers, die entweder von ihm oder von der für ihn unterzeichnenden Person geleistet wurde, am, nach, folgend, unter, neben oder gegenüber dem Ende des Testaments angebracht ist, so dass auf dem Äußeren des Testaments ersichtlich ist, dass der Erblasser mit der Unterschrift dem Dokument sein oder ihr Testament Wirkung verleihen wollte (Sec. 7 SLRA). 

Anerkennung eines Testaments, dass nach dem Recht eines anderen Staates oder einer anderen Provinz errichtet wurde

Eine letztwillige Verfügung ist hinsichtlich ihrer Form auch dann gültig, wenn diese den Formerfordernissen entspricht

  • des Rechts des Ortes, an dem der Erblasser letztwillig verfügt hat,
  • des Rechts des Domizils des Erblassers,
  • des Rechts eines Ortes, an dem der Erblasser im Zeitpunkt, in dem er letztwillig verfügt hat seinen gewöhnlichen Wohnsitz hatte,
  • des Rechts der Staatsangehörigkeit des Erblassers, wenn in dem Ort es ein einziges Recht gibt, welches Testamente von Staatsangehörigen regelt (Sec. 37 SLRA).

Auslegung

Das Ziel bei der Auslegung eines Testaments ist es, den testamentarischen Absichten des Testators für die Verteilung seine Nachlasses Wirkung zu verleihen.[1] Das Gericht soll versuchen, den tatsächlichen Willen des Erblassers zu bestimmen. Das subjektive Verständnis des Erblassers von Worten ist maßgeblich.  Das Gericht soll sich an die Stelle des Erblassers zu dem Zeitpunkt der Testamentserrichtung versetzen. Dabei sind die äußeren Umstände, die dem Testator bekannt waren, zu berücksichtigen. Äußerungen des Testators sind im Grundsatz nicht zu berücksichtigen. Das Gericht legt das Testament in seiner Gesamtheit aus. Das Gericht bevorzugt eine Auslegung, die nicht zur gesetzlichen Erbfolge führt.[2]

Zulässiger Inhalt des Testaments

Eine Person kann durch Testament alles Vermögen (unabhängig davon, ob es vor oder nach der Errichtung ihres Testaments erworben wurde), auf das sie zum Zeitpunkt ihres Todes nach dem Gesetz oder nach Billigkeitsrecht Anspruch hat, mittels Testaments verfügen (Sec. 2 SLRA). Im Testament finden sich folgende typische Regelungen:

  • wer einen bestimmten Vermögensgegenstand erhalten soll,
  • wer aus einer Vermögensklasse etwas erhalten soll (z.B. einen Geldbetrag), 
  • wer den Restnachlass (residuary estate) erhalten soll,
  • wer Nachlassabwickler (estate trustee) sein soll,
  • dass nach der Nachlassabwicklung ein Treuhänder (trustee) das Vermögen für den Begünstigten bis zum Ablauf einer bestimmten Zeit oder Eintreten eines Ereignisses verwalten soll.

Widerruf des Testaments 

Ein Testament oder ein Teil davon wird gemäß Sec. 15 SLRA wie folgt widerrufen: 

  • durch Eheschließung (nach kanadischem Recht), es sei denn der Erblasser erklärt im Testament die Wirksamkeit für diesen Fall, der Ehegatte wählt die Ansprüche aus dem Testament oder in manchen Fällen eines Bestimmungsrechts (power of appointment);
  • ein anderes (wirksames) Testament;
  • schriftliche Bekundung des Willens das Testament  widerrufen zu wollen, wobei Testamentsform einzuhalten ist,
  • Verbrennen, zerreißen oder andere Zerstörung durch den Testator oder eine andere Person in der Gegenwart des Testators, auf Anweisung des Testators mit dem Willen das Testament zu widerrufen. 

[1] Rondel v. Robinson Estate, 2011 ONCA 493, 337 D.L.R. (4th) 193.

[2] In Re Kaptyn Estate, 2010 ONSC 4293, 102 O.R. (3d) 1, ("Kaptyn Estate").


Jan-Hendrik Frank


Veit Klinger

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