Internationales Erbrecht (IPR) – Kanada – Provinz Ontario

Kanada

Rechtsgrundlagen

Internationale Übereinkommen und Staatsverträge

Washington Convention on International wills (1973); Haager Übereinkommen vom 1. Juli 1985 über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung

Recht von Ontario

Das internationale Erbrecht (conflict of laws) ist in den Art. 36 bis 41 des Succession Law Reform Act (SLRA) geregelt. Soweit Artikel eines Gesetzes nachfolgend nicht anders bezeichnet sind, verweisen sie auf den SLRA.

Nachlassspaltung

Das Internationale Privatrecht von Ontario unterscheidet im Hinblick auf alle Fragen, die der Rechtsnachfolge von Todes wegen zuzuordnen sind, zwischen

  • dem beweglichen Nachlass (movables) und
  • unbeweglichem Nachlass (immovables).

Dies wird als Nachlassspaltung (scission) bezeichnet.

Beweglicher Nachlass

Grundsatz

Im Hinblick auf das bewegliche Vermögen ist das Recht des letzten Domizils (domicile) des Erblassers anzuwenden.[1] Für die testamentarische Erbfolge ist dieser Grundsatz auch in Art. 36 (2) SLRA normiert.

Testierfähigkeit 

Maßgeblich ist das Recht des Domizils des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes.[2] Allerdings ist Art. 38 (Änderung des Domizils, siehe unten) zu beachten.

Materielle Wirksamkeit des Testaments 

Fragen der materiellen Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen (essential validity) richten sich nach dem Recht des Domizil des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes.[3] Beispiele von Fragen der materiellen Wirksamkeit sind die Verfügungsbeschränkung durch Noterbrecht, die Wirksamkeit einer Schenkung zu Gunsten eines Zeugen bei Testamentserrichtung, Unwirksamkeit wegen Zwang oder Täuschung (duress and undue influence) und die Frage, ob der Begünstigte ein Wahlrecht hat (election). 

Auslegung einer letztwilligen Verfügung

Nach Art. 39 SLRA ist soll stets das Recht des letzten Domizils anzuwenden sein. Allerdings kann sich aus dem Willen des Testators etwas anderes ergeben.[4]

Die formelle Wirksamkeit des Testaments

Ein Testament ist im Hinblick auf die Art und die Form seiner Errichtung wirksam, wenn es zum Zeitpunkt der Errichtung dem Recht des Staates genügt,

  • in dem es errichtet wurde,
  • der Testierende sein Domizil hatte,
  • der Testierende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte oder
  • dessen Staatsangehörigkeit der Testierende hatte, siehe Art. 37 (1) SLRA.

Formelle Wirksamkeit des Widerrufs eines Testaments 

Der Widerruf einer letztwilligen Verfügung (revocation) durch Errichtung eines Testaments (revocation by later will) richtet sich im Hinblick auf die Form nach dem auf das für die Errichtung des Testaments anzuwendende Recht. Bei einem Widerruf durch Vernichtung  (revocation by destruction of the will) richtet sich die formelle Wirksamkeit nach den Recht, welches nach den allgemeinen Regeln anzuwenden ist. Bei einem Widerruf als Folge der Eheschließung (revocation by marriage) gilt das Recht des Domizils des Testierenden zum Zeitpunkt der Eheschließung. Beim Widerruf als Folge der Aufhebung oder Scheidung der Ehe entscheidet das Recht des Domizils der Entscheidung.

Änderung des Domizils

Ändert der Testierende sein Domizil nach Errichtung des Testaments, so wird es nach Art. 38 SLRA dadurch nicht unwirksam im Hinblick auf Art und Form der Errichtung. 

Unbeweglicher Nachlass

Nach Art. 36 (1) SLRA ist bei Immobilien im Hinblick auf die Art und die Form der Errichtung eines Testaments, seine materielle Wirksamkeit und die Rechtsfolgen das Recht des Staates anzuwenden, wo die Immobilie belegen ist. Betreffend die Form letztwilliger Verfügungen und ihres Widerrufs, die materielle Wirksamkeit eines Testaments und seine Auslegung gilt das für das bewegliche Vermögen Gesagte entsprechend.

Verweisungen auf das Recht eines anderen Staates

Anzuwenden ist das Recht des Staates an, auf das verwiesen wird unter Ausschluss der Regeln des internationalen Privatrechts, siehe Art. 34  (c) SLRA.


[1] Castel, Canadian Conflict of Laws, 6th Edition, 27.2 a; Jewish National Fund v. Royal Trust Co. (1966), 53 D.L.R. (2d) 577 (S.C.C.); Senkiw v. Muzyka (1967), 65 D.L.R. (2d) 622 (Sask. Q.B.); affirmed (1969), 68 W.W.R. 515 (Sask. C.A.); affirmed (1970), 72 W.W.R. 314 (S.C.C.).

[2] Castel, Canadian Conflict of Laws, 6th Edition, 27.4 a).

[3] Castel, Canadian Conflict of Laws, 6th Edition, 27.4 f).

[4] In Hammill Estate v. McDonell; 1994 CarswellOnt 657, 3 E.T.R. (2d) 300 (Ont. C.J. [G.D.]).


Jan-Hendrik Frank


Veit Klinger

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