Quellen
Internationale und bilaterale Übereinkommen
Haager Übereinkommen von 1961 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht; deutsch-sowjetischen Konsularvertrag vom 25.04.1958; Deutsch-türkische Konsularvertrag vom 28.05.1929); Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien; Nicht ratifiziert: Haager Übereinkommen über das auf die Rechtsnachfolge von Todes anzuwendende Recht vom 1.8.1989, Haager Übereinkommen über die internationale Nachlassverwaltung und das Haager Abkommen über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung vom 01.07.1973. Für Erbfälle ab dem 17.08.2015: Europäische Erbrechtsverordnung.
Nationales Recht
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.09.1994 (EGBGB)
Erbfälle bis zum 17.08.2015
Grundsatz
Nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB das Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte, anzuwenden. Da Art. 25 Abs. 1 EGBGB nur an die Staatsangehörigkeit anknüpft und dabei nicht auf die Belegenheit des Nachlasses abstellt, wird - im Grundsatz – das gesamte Vermögen nach einem (1) Sachrecht vererbt, sog. Grundsatz der Nachlasseinheit. Nach Art. 25 EGBGB bestimmen sich im Grundsatz alle Fragen des materiellen Erbrechts (Eintritt des Erbfalls, Erbquoten, Berufung von Erben, Erbrecht des nichtehelichen Kindes, Erbrecht des adoptierten Kindes und seiner Verwandten, Testamentarische Erbfolge, Auslegung des Testaments, gemeinschaftliche Testamente und Erbvertrag, Erbunwürdigkeit, Vorerbschaft und Nacherbschaft, Pflichtteil, Ausgleichung, Erbschaftsannahme und Ausschlagung, Haftung für Nachlassverbindlichkeiten).
Besondere Anknüpfungen bestehen für die Erbfähigkeit (vgl. Art. 7 Abs. 1 EGBGB), Testierfähigkeit (vgl. Art. 7 Abs. 1 EGBGB), Form des Testaments (vgl. Art. 26 EGBGB), Todeserklärung (vgl. Art. 8 EGBGB), den Umfang des zum Nachlass gehörenden Vermögens (z.B. Versicherungsanspruch), die Vererblichkeit von Gesellschaftsanteilen (Gesellschaftsstatut), die für die Berufung erhebliche Rechtsstellung (z.B. Ehe, Partnerschaft, Kind, Adoption).
Vorrang des Einzelstatuts
Das von Art 25 Abs. 1 EGBGB berufene Erbstatut findet ausnahmsweise im Hinblick auf solche Gegenstände keine Anwendung, welche das Recht des anderen Staates „besonderen Vorschriften" i.S.v. Art. 3 Abs. 3 EGBGB unterstellt. Welche Gegenstände derartige „besondere Vorschriften“ sind, entscheidet das Belegenheitsrecht (Dörner DNotZ 1988, 99f).
„Besonderen Vorschriften" i.S. von Art 3 Abs 3 EGBGB sind nach der Rechtsprechung des BGH zunächst Sachnormen, die sich auf sogenannte gebundene Güter oder Sondervermögen (z.B. Familienfideikommisse, Stammgüter, Rentengüter, Anerbengüter oder Erbhöfe) beziehen und diese Gegenstände einer besonderen Regelung in der Vererbung unterstellen (BGHZ 50, 64). „Besondere Vorschriften" i.S.v. Art. 3 Abs. 3 EGBGB können nach der Rechtsprechung des BGH aber auch „Kollisionsnormen, welche die Erbfolge in bestimmte Gegenstände, vornehmlich in Grundstücke, einem anderen Recht unterstellen als die übrige Erbfolge und damit zu einer Aufspaltung des Nachlasses führen“ (so ausdrücklich: BGHZ 45,352; 50; vgl. auch Bundestagsdrucksache 10 / 504, S. 36) sein.
Nach der Rechtsprechung des BGH sind „besondere Vorschriften“ i.S.v. Art. 3 Abs. 3 EGBGB insbesondere Kollisionsnormen eines anderen Staates, die das unbewegliche Vermögen abweichend von der allgemeinen Erbrechtsanknüpfung der lex rei sitae unterwerfen. Dies ist z.B. in den Bundestaaten der USA (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2004 - IV ZR 135/03), England, Schottland und Irland der Fall. Aber auch in Frankreich (BayObLGZ 1982, 288; BayObLG FamRZ 19, 1123; OLG Zweibrücken OLGZ 1985.416; OLG Köln FamRZ 1992, 861), und vielen vom Code Civil francais beeinflussten Gebieten ist dies der Fall. Des Weiteren auch in Südamerika ist die Nachlassspaltung weit verbreitet und den meisten Nachfolgestaaten der UDSSR.
Eine Sonderanknüpfung im Sinne der Rechtsprechung des BGH dürfte auch dann vorliegen, wenn bestimmte Arten von beweglichem Vermögen Sonderanknüpfungen unterworfen sind (Beispiel: Das argentinische Recht ordnet für die Rechtsfolge in bewegliches Vermögen mit festem Lageort die Anwendung der lex rei sitae an). Der BGH hat in der grundlegenden Entscheidung vom 05.04.1968 (BGHZ 45,352; 50) ausdrücklich die Anwendung von Art. 3 Abs. 3 EGBGB in allen Fällen kollisionsrechtlicher Nachlassspaltung in Betracht gezogen. Es ist nicht einzusehen, warum eine Sonderanknüpfung für bestimmte bewegliche Vermögensgegenstände anders behandelt werden sollte als eine Sonderanknüpfung für unbewegliches Vermögen, zumal eine Unterscheidung ohnehin im Einzelfall mehr oder weniger willkürlich ist (z.B. Gesellschaftsanteil an einer Ltd. deren einziger Vermögensgegenstand ein Grundstück ist). Für eine Respektierung der Sonderanknüpfung spricht insbesondere, dass Nachlasskonflikte vermieden werden sollten (dies hat auch ausdrücklich der Gesetzgeber anerkannt, vgl. Bundestagsdrucksache 10 / 504, S. 36).
Wird der gesamte Nachlass der lex rei sitae unterworfen (z.B. Lettland, Uruguay), liegt nach h.M. ebenfalls ein Fall von Art. 3 Abs. 3 EGBGB vor (vgl. Staudinger – Dörner Art. 25 EGBGB, Rn. 572, Tiedemann 54 f; Süss, in: Süss / Haas, Erbrecht in Europa, S. 30; Tiedemann, Internationales Erbrecht in Deutschland und Lateinamerika, S. 51; a.A. Prinzip von Sachsen – Gessaphe, das mexikanische internationale Erbrecht und seine Bedeutung für deutsch – mexikanische Nachlassfälle). Für eine Respektierung der Sonderanknüpfung spricht insbesondere, dass Nachlasskonflikte vermieden werden sollten; so auch ausdrücklich die Begründung zu Art. 3 Abs. 3 EGBGB (vgl. Bundestagsdrucksache 10 / 504, S. 36).
Eine besondere Vorschrift i.S.v Art 3 Abs 3 EGBGB kann auch eine Kollisionsnorm sein, die einzelne Teilfragen gesondert anknüpft (vgl. Staudinger – Dörner Art. 25 EGBGB Rn. 572), z.B. die Frage nach der Art und Weise des Erbschaftserwerbs, der Haftung oder der Nachlassverwaltung, Erbrecht des Fiskus.
Vorfragen
Das Erbstatut knüpft an die Staatsangehörigkeit an. Diese richtet sich nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz. Bei Staatenlosen knüpft das deutsche IPR gemäß Art. 5 Abs. 2 EGBGB an den gewöhnlichen Aufenthalt an. Dies gilt auch für Personen, deren Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden kann.
Bei Doppel- oder Mehrstaatern ist nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB das Recht des Staates maßgebend, mit dem der Erblasser am engsten verbunden war (sog. effektive Staatsbürgerschaft). Dies ist in der Regel der Staat in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz oder dauerhaften Aufenthalt hatte.
Hatte der Doppel- oder Mehrstaater auch die deutsche Staatsangehörigkeit, ist gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB allein die deutsche Staatsangehörigkeit maßgebend.
Rechtswahl
Das deutsche internationale Erbrecht lässt im Grundsatz keine Rechtswahl zu. Nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB ist eine Rechtswahl in der Form eines Testaments ausnahmsweise möglich, wenn kumulativ folgende Bedingungen gegeben sind:
(1) Der Nachlassgegenstand ist im Inland belegen;
(2) Es handelt sich um unbewegliches Vermögen;
(3) Deutsches Recht wird gewählt.
Verweisungen auf fremdes Recht
Nach Art. 4 S. 1 EGBGB schließt eine Verweisung auf ausländisches Recht auch dessen IPR ein (Gesamtrechtsverweisung).
Verweist das Heimatrecht des Erblassers auf das Recht eines dritten Staates (Weiterverweisung), ist dies aus deutscher Sicht ebenfalls zu beachten, Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Bezieht sich diese Weiterverweisung auf die Sachrecht des Drittstaates (Sachnormverweisung), so kommt das materielle Recht des dritten Staates zur Anwendung.
Beispiel: Erblasser E, Staatsangehöriger von Venezuela, stirbt mit letztem Wohnsitz in Madrid, Spanien. Im Nachlass befindet sich u.a. eine Immobilie in Berlin, so dass das zuständige Nachlassgericht das anwendbare Erbrecht zu prüfen hat. Art. 25 EGBGB verweist auf das Recht von Venezuela unter Einschluss dessen IPR. Danach ist der Wohnsitz des Erblassers maßgeblich, so dass es auf (gemein-) spanische Recht weiter verwiesen wird. Da das Recht von Venezuela im Grundsatz im Sinne einer Sachnormverweisung zu verstehen ist, ist aus deutscher Sicht (gemein-) spanisches Recht anzuwenden.
Verweist das Heimatrecht des Erblassers auch auf das IPR des Drittstaates (Weiterverweisung und Gesamtverweisung), ist zu prüfen, ob das IPR des Drittstaates die Verweisung annimmt. In diesem Fall ist das Erbrecht des Drittstaates anzuwenden.
Beispiel: Wie obiges Beispiel, aber der Erblasser ist Franzose. Da das französische IPR eine Gesamtrechtsverweisung ist (Döbereiner in: Erbrecht in Europa, Erbrecht in Frankreich, Rn 2), ist zu prüfen, ob Spanien die Weiterverweisung annimmt. Dies ist der Fall (siehe €¦), so das (gemein-) spanisches Recht zur Anwendung kommt.
Verweist das IPR des Drittstaates auf das deutsche Recht (mittelbare Rückverweisung), kommt nach h.M. (Süß: Die Rückverweisung im Internationalen Erbrecht ZEV 2000, 486 m.w.N.) deutsches materielles Erbrecht nach Art. 4 EGBGB zur Anwendung. Nach a.A. (Palandt/Thorn, Art. 4 EGBGB, Rn. 3) soll die Verweisungskette abgebrochen werden.
Verweist das IPR des Drittstaates auf das IPR eines Viertstaates (weitere Weiterverweisung) soll nach h.M. (Staudinger/Dörner Art. 25 Rn. 677; MK/Birk Art. 25 Rn. 95; Palandt/Thorn Art. 4 EGBGB Rn. 3) die Verweisungskette abgebrochen werden.
Nimmt das IPR des Heimatrechts die Verweisung nur teilweise an und verweist es teilweise auf deutsches Recht zurück, kommt teilweise deutsches Recht und teilweise das Heimatrecht (teilweise Rückverweisung) zur Anwendung.
Beispiel: Erblasser E, südafrikanischer Staatsangehöriger, mit Domicile Südafrika stirbt. Der inländische Nachlass besteht aus einem Depot bei einer deutschen Bank und einem Haus in Deutschland. Art. 25 EGBGB verweist auf das Recht von Südafrika unter Einschluss dessen IPR. Danach ist im Hinblick auf bewegliches Vermögen, also auch das Depot, das Recht des Domicile anzuwenden, so dass das südafrikanische Recht die Verweisung annimmt. Im Hinblick auf unbewegliches Vermögen, also auch das Haus in Deutschland, ist nach dem IPR von Südafrika das Recht der Belegenheit anzuwenden, also deutsches Recht. Deutschland nimmt diese Rückverweisung an.
Verweist das IPR des Heimatstaates teilweise weiter auf das Recht eines Drittstaates und teilweise auf deutsches Recht, ist teilweise deutsches Recht und teilweise das durch die Weiterverweisung berufene Recht anzuwenden (teilweise Weiterweisung).
Beispiel: Erblasser E, südafrikanischer Staatsangehöriger, mit Domicile im US Bundestaat Florida stirbt. Der inländische Nachlass besteht aus einem Depot bei einer deutschen Bank und einem Haus in Deutschland. Art. 25 EGBGB verweist auf das Recht von Südafrika unter Einschluss dessen IPR. Danach ist im Hinblick auf bewegliches Vermögen, also auch das Depot, das Recht des Domicile anzuwenden, so dass das Recht von Florida, welches die Verweisung annimmt, anzuwenden ist. Im Hinblick auf unbewegliches Vermögen, also auch das Haus in Deutschland, ist nach dem IPR von Südafrika das Recht der Belegenheit anzuwenden, also deutsches Recht. Deutschland nimmt diese Rückverweisung an.
Verweist das deutsche Recht wegen der Staatsangehörigkeit des Erblassers auf das IPR eines anderen Staates, so ist dieses so anzuwenden, wie ein Richter des betreffenden Staates dies tun würde (Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn. 658; MK-BGB/Birk, Art. 25 EGBGB Rn. 91). Insbesondere sind Fragen des Anwendungsbereichs ausländischer Kollisionsnormen und deren Abgrenzung zu anderen Kollisionsnormen nach dem Recht dieses Staates zu prüfen.
Beispiel: Erblasser E, Britischer Staatsangehöriger aus England, mit Wohnsitz in London (England), stirbt überraschend kurz vor Eintritt in den Ruhestand. Er hatte die unbedingte Absicht nach Eintritt in den Ruhestand nach Verden, Deutschland, zu ziehen, um dort seinen Lebensabend zu verbringen. Nach seinem Testament erhält sein Bruder, B, den gesamten Nachlass. Seine Ehefrau, F, wird nicht bedacht. F klagt darauf vor einem deutschen Gericht auf Zahlung des Pflichtteils in Höhe von ½ des Nachlasses. Das Gericht hat zunächst das im Hinblick auf den Pflichtteil anzuwendende Recht zu ermitteln. Da Art. 25 EGBGB auf das Recht das Heimatrecht, also das Recht von England & Wales verweist, ist zu prüfen, ob es zu einer Rückverweisung kommt. Nach dem Recht von England und Wales ist für alle Fragen der Rechtsnachfolge von Todes wegen (succession) mit Ausnahme der Verwaltung (administration) das Recht des letzten Domicile bzw. Lex Rei Sitae (bei unbeweglichem Vermögen) anzuwenden. Das deutsche Gericht hat nun wie ein englisches Gericht zu prüfen, wo das Domicile des Erblassers war. Ferner hat es zu prüfen, ob der Pflichtteil eine Frage der „Succession“ ist.
Das Recht des Staates, auf das deutsches Recht verweist, kann die Qualifikation aber auch dem Recht, auf das zurück oder weiterverwiesen wird, überlassen (Qualifikationsverweisung, vgl. BGH NJW 2000, 2421-2422; KG ZEV 2012, 362).
Beispiel (nach KG ZEV 2012, 362): Erblasser E, US Staatsangehöriger, stirbt mit letztem Domizil in Colorado. Zum Nachlass gehört ein Anteil an einer deutschen Erbengemeinschaft, deren einziges Vermögen in einer in Deutschland belegenen Immobilie besteht. Das nach Art. 25 Abs. 1, 4 Abs. 3 EGBGB berufene Recht des US-Bundesstaats Colorado verweist hinsichtlich des unbeweglichen Nachlasses auf das Recht des Belegenheitsorts (lex rei sitae), damit auf deutsches Recht zurück. Ob es sich um unbewegliches Vermögen handelt, ist aus Sicht von Colorado nach dem Recht am Ort der Belegenheit, also nach deutschem Recht zu entscheiden.
Gültigkeit und Bindungswirkung letztwilliger Verfügungen
Nach Art. 25 EGBGB kommt es für die Bestimmung des anwendbaren Rechts im Grundsatz auf die Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt des Todes an. Wechselt der Erblasser seine Staatsangehörigkeit, führt dies im Grundsatz daher auch zur Änderung des auf die Erbfolge anzuwendenden Rechts (Statutenwechsel).
Um das Vertrauen des Erblassers in die wirksame Errichtung seiner letztwilligen Verfügung zu ermöglichen, ist nach Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB im Hinblick auf die Gültigkeit und Bindungswirkung einer letztwilligen Verfügungen von Todes wegen das Recht maßgebend, welches im Zeitpunkt der Errichtung auf die Erbfolge anzuwenden gewesen wäre (hypothetisches Erbstatut oder Errichtungsstatut).
Unter Gültigkeit sind sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzung zu verstehen, welche dem Erbstatut unterstehen und nicht die Form betreffen, z.B.
- die Testierfähigkeit,
- die Auslegung letztwilliger Verfügungen einschließlich gesetzlicher Auslegungsregeln, wobei bei irriger Annahme der Anwendung ausländischen Recht dies zu berücksichtigen ist (BGH NJW-RR 2006, 948; OLG Hamm FamRZ 2012, 906);
- die Erbunfähigkeit (z.B. des Betreuers nach spanischem Recht, siehe €¦), nicht aber § 14 HeimG (vgl. OLG Oldenburg, NJW 1999, 2448);
- die Zulässigkeit der Testierstellvertretung;
- Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Testaments (vgl. BGH FamRZ 1977, 786-787);
- die Zulässigkeit von gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen;
- die Zulässigkeit und materielle Wirksamkeit des Pflichtteils- und Erbverzichts (vgl. OLG Hamburg, NJW-RR 1996, 203, welches Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB analog anwenden will)
Beispiel: Erblasser E, deutscher Staatsangehöriger, errichtet ein Testament, in welchem er seinen gerichtlich bestellten Betreuer, B, zum Alleinerbin einsetzt. Später nimmt er die spanische Staatsangehörigkeit unter Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit an. Der nächste Verwandte des E, V, ist der Auffassung, dass die Erbeinsetzung zu Gunsten des B unwirksam ist, da nach Art. 25 EGBGB spanisches Recht anzuwenden ist und der Betreuer nicht durch Testament bedacht werden kann. B weist – zutreffend – darauf hin, dass sowohl aus deutscher Sicht (Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB) als auch spanischer Sicht die Wirksamkeit im Zeitpunkt der Errichtung genügt und die Erbeinsetzung nicht durch den Statutenwechsel eingetreten ist.
Unter Bindungwirkung sind die Zulässigkeit und Voraussetzungen eines Widerrufs oder Aufhebung der Verfügung zu verstehen (Palandt-Thorn, Art. 26 EGBGB, Rn. 8).
Besteht nach dem Recht eines anderen Staates ein Verbot des Erbverträgs und/oder gemeinschaftlichen Testaments, ist zu fragen, ob es sich um ein materielles oder nur formelles Verbot handelt. Handelt es sich um ein formelles Verbot, richtet sich die Wirksamkeit wie bei allen Formfragen allein nach Art. 26 Abs. 1 bis 4 EGBGB bzw. dem TestFormÜbK (siehe €¦). Da das TestFormÜbK von vielen Staaten unterzeichnet wurde und dem nationalen Recht vorgeht, ist das Testament/Erbvertrag daher oftmals bereits nach dem Recht, welches das gemeinschaftliche Testament/Erbvertrag verbietet, wirksam.
Beispiel: Die Eheleute M und F, französische Staatsangehörige, dauerhaft wohnhaft in Deutschland errichten in Deutschland ein gemeinschaftliches Testament. Nach Eintritt in den Ruhestand verlegen sie ihren Wohnsitz nach Nizza/Frankreich. Aus französischer Sicht ist im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments französisches Erbrecht anzuwenden. Dieses verbietet das gemeinschaftliche Testament (Art. 986 CC). Da es sich aber nur um ein Formverbot handelt (Döbereiner in: Erbrecht in Europa, Rn. 38) geht das TestFormÜbk vor und das Testament ist gleichwohl wirksam.
Soll das Verbot die Testierfreiheit und die freie Widerrufbarkeit schützen soll, so handelt es sich allerdings um ein materiells Verbot (Steiner, ZEV 2004, 362, 363).
Errichten Eheleute mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit ein gemeinschaftliches Testament, so ist nach Art. 25, 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB im Grundsatz für jeden Erblasser gesondert das auf die Erbfolge anzuwendende Recht zu ermitteln. Ist das Testament im Hinblick auf die Verfügungen eines Testators wirksam und im Hinblick auf die Verfügungen des anderen unwirksam, so stellt sich die Frage, ob es insgesamt hinfällig ist oder zumindest teilweise wirksam bleibt.
Nach zum Teil vertretener Auffassung (MK/Birk, Art. 26 EGBGB Rn. 103; Erman/
Hohloch, Art. 25 EGBGB Rn. 31) ist das gemeinschaftliche Testament nur wirksam, wenn es nach beiden Erbstatuten zulässig ist. Die Unwirksamkeit nach einem Erbstatut führt daher zur vollständigen Unwirksamkeit des Testaments. Nach anderer Auffassung (Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn. 337; Süß in: Erbrecht in Europa, Rn. 93) richten sich die Folgen der Unwirksamkeit der Verfügungen des einen Testierenden nach dem Erbstatut des anderen.
Dieses differenziertere Ergebnis entspricht eher dem mutmaßlichen Willen des Erblassers und ist daher vorzugswürdig.
Unabhängig davon, ob der Erblasser letztwillig verfügt hat oder nicht, geht die einmal erlangte Testierfähigkeit nicht durch den Erwerb oder den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit verloren, Art. 26 Abs. 5 S. 2 EGBGB. Sie kann aber natürlich aus anderen Gründen verloren gehen (z.B. wegen Geisteskrankheit).
Ordre public
Die Anwendung des berufenen ausländischen Rechts steht unter dem Vorbehalt des Art. 6 EGBGB (öffentliche Ordnung oder „ordre public“). Danach ist eine Rechtsnorm eines ausländischen Staates in Deutschland nicht anzuwenden, wenn die Anwendung im konkreten Fall zu einem Ergebnis führt, das mit tragenden Prinzipien der deutschen Rechtsordnung, insbesondere den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist. Ein Verstoß gegen den Ordre Public Vorbehalt kann daher insbesondere vorliegen, wenn das ausländische Erbrecht
- nach Geschlecht, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen diskriminiert (vgl. Art. 3 Abs. 2 GG);
- dem nichtehelichen Kind kein gesetzliches Erbrecht zubilligt (KG IPRax 09, 263) und
- dem volladoptierten Kind kein gesetzliches Erbrecht zubilligt (Palandt-Thron, Art. 6 EGBGB, Rn. 30).
Auch in diesen Fällen liegt aber kein Verstoß gegen den Ordre Public Vorbehalt vor, wenn
- die Sache nur insoweit Bezüge zu Deutschland hat, dass deutsche Gerichte zuständig sind (Palandt/Thorn Art. 6 Rn. 6) oder
- die erbrechtliche Benachteiligung durch eine vorteilhafte güterrechtliche Regelung ausgeglichen wird (vgl. OLG Hamm FamRZ 1993, 115 zum iranischen Recht).
Nach der Rechtsprechung der Obergerichte ist die Anwendung von Art. 6 EGBGB auch ausgeschlossen, wenn die bei Anwendung der missbilligten ausländischen Norm eintretende Rechtsfolge dem Willen des Erblassers entspricht, sofern sich ein solcher konkret feststellen lässt (KG NJW-RR 2008, 1109; OLG Düsseldorf NJW-RR 2009, 732; OLG Hamm ZEV 2005, 436). Bei gesetzlicher Erbfolge muss sich allerdings positiv feststellen lassen, dass die gesetzliche Erbfolge nach dem Heimatrecht dem Willen des Erblassers entsprach (OLG Düsseldorf NJW-RR 2009, 732; OLG Hamm, ZEV 2005, S. 436, 439).
Kein Verstoß gegen Art. 6 EGBGB wird allgemein angenommen, wenn die Kinder keine Mindestbeteiligung am Nachlass haben (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2005, 1705, 1710; Palandt/Thorn, Art. 6 EGBGB, RN 30). Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 112, NJW 2005, S. 1561) entschieden hat, dass der Pflichtteil Verfassungsrang hat, könnte aber eine Neubewertung zu erfolgen haben (KG NJW-RR 2008, 1109).
Auch im Hinblick auf erbrechtliche Vorfragen kann der Ordre Public Vorbehalt von Bedeutung sein. So ist z.B. die Errichtung einer Stiftung liechtensteinischen Rechts, deren Hauptzweck auf Steuerhinterziehung ausgerichtet ist, unwirksam, so dass das Vermögen der Stiftung in den Nachlass fällt (OLG Düsseldorf, ZEV 2010, 528-533 zu Liechtensteinischer Stiftung unter Berufung auf BGH NJW-RR 2002, 1527).
Anerkennung ausländischer Testamente der Form nach
Nach deutschem Recht kann ein Testament in der Form eines handschriftlichen Testaments oder eines notariellen Testaments errichtet werden. In anderen Staaten sind hingegen andere Formen gebräuchlich. So ist z.B. die übliche Testamentsform in den USA das Zwei-Zeugen-Testament, bei dem der Erblasser vor zwei Zeugen ein maschinenschriftliches Testament unterzeichnet.
Ein ausländisches Testament ist hinsichtlich seiner Form nach dem Haager Testamentsformübereinkommen (TestFormÜbk) aber gleichwohl als gültig anzusehen, wenn es einem der folgenden Rechte genügt:
- dem Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung oder des Todes;
- dem Recht des Errichtungsortes;
- dem Recht des Wohnsitzes oder des letzten Aufenthaltes im Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung oder des Todes, wobei die Frage des Wohnsitzes nach dem am Ort geltende Recht bestimmt wird;
- des Rechts des Ortes, an dem sich unbewegliches Vermögen befindet, soweit es sich um dieses handelt;
- dem auf die Erbfolge von Todes wegen ansonsten anzuwendendes Recht im Zeitpunkt des Todes oder der Verfügung.
Das TestFormÜbk trennt generell die Formfrage vom ansonsten anzuwendenden Erbrecht. Dies hat zur Folge, dass für die Frage der Formgültigkeit das ansonsten anzuwendende Erbrecht außer Betracht bleiben muss.
Beispiel (nach: BGH NJW 2004, 3558, 3560): Erblasser E, deutscher Staatsbürger, mit Domicile und ständigem Aufenthalt in Deutschland, hatte ein handschriftliches Testament errichtet und darin sein Vermögen zwei ehemaligen Lebensgefährtinnen, L 1 und L 2, zugewandt. Seine Tochter T wurde nicht bedacht und machte den Pflichtteil geltend. Der Nachlass besteht u.a. aus einem Ferienhaus in Florida und einem Konto bei einer Bank in Florida. Nach dem Recht von Florida war das handschriftliche Testament mangels Bestätigung durch zwei Testierzeugen formunwirksam. Folglich war es zweifelhaft, ob L 1 und L 2 ihre Ansprüche in Florida überhaupt durchsetzen können. Für die Frage der Formwirksamkeit des Testaments aus Sicht eines deutschen Gerichts spielte dies aber keine Rolle. Das deutsche Gericht hatte u.a. daher für die Pflichtteilsberechnung davon auszugehen, dass T nicht bedacht wurde und somit (soweit deutsches Recht anzuwenden ist), ihr Pflichtteil auch auf der Grundlage der in Florida belegenen Nachlassgegenstände zu berechnen war.
Erbstatut für Erbfälle ab dem 17. August 2015
Die Bundesrepublik Deutschland ist Mitgliedsstaat der am 17. August 2012 in Kraft getretenen EuErbVO und somit bestimmt sich das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Erbrecht im Hinblick auf Personen, die am 17. August 2015 oder danach verstorben sind, nach der EuErbVO (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO). Vorwirkungen entfaltet die EuErbVO allerdings im Hinblick auf die Rechtswahl und die formelle und materielle Wirksamkeit. Internationale Übereinkommen Deutschlands gehen den Regeln der EuErbVO vor (vgl. Art. 75 EuErbVO).