Türkisches Erbrecht: Anfechtung eines Scheinverkaufs

Türkei

Bestimmte nahe Angehörige, insbesondere Kinder, haben nach türkischem Erbrecht einen Anspruch auf den Pflichtteil. Um den Pflichtteil von Kindern und anderen Pflichtteilsberechtigten zu umgehen, kommt es in der Türkei oft vor, dass durch Scheinverkäufe der Erblasser noch zu Lebzeiten versucht den Pflichtteil auszuhöhlen. Der Beitrag zeigt auf, welche Recht der Pflichtteilsberechtigte nach türkischem Erbrecht hat und wie er seine Rechte durchsetzen kann.

Anwendbares Erbrecht nach türkischem Recht und dem deutsch-türkischen Abkommen

Die Rechtsnachfolge von Todes wegen (Erbrecht) unterliegt dem Heimatrecht des Erblassers, Art. 22 des türkischen Gesetzes über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht (IPRG). Eine Ausnahme gilt allerdings für Immobilien in der Türkei; diese werden nach türkischem Erbrecht vererbt. Im deutsch-türkischen Verhältnis sind die §§ 14 ff. der Anlage zu Art. 20 des Deutsch-Türkischen Konsularvertrages vom 28.5.1929 (Nachlassabkommen) zu beachten. Danach ist im Hinblick auf den beweglichen Nachlass das Recht, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte anzuwenden, siehe § 14 Abs. 1 des Nachlassabkommens. Im Hinblick auf das unbewegliche Vermögen ist hingegen das Erbrecht des Staates, in dem das unbewegliche Vermögen (Immobilie) belegen ist, anzuwenden, § 14 Abs. 2 Nachlassabkommen. Daher ist ausnahmsweise auch für in Deutschland belegenes  unbewegliches Vermögen bei einem türkischen Erblasser zwingend deutsches Recht anzuwenden. 

Pflichtteil in der Türkei 

Im türkischen Erbrecht haben bestimmte nahe Angehörige – insbesondere Kinder und der  Ehegatte - einen Anspruch auf den Pflichtteil. 

Der Pflichtteil im türkischen Erbrecht ist eine Mindestbeteiligung am Nachlass (sog. Noterbrecht). Die Testierfreiheit des Erblassers ist also eingeschränkt. 

Der Pflichtteil der Kinder besteht in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, Art. 506 des türkischen Zivilgesetzbuchs (ZGB).

Der Pflichtteil der Eltern beträgt allerdings nur ein Viertel ihres gesetzlichen Erbanteils.

Der überlebende Ehegatte erhält neben gesetzlichen Erben den gesamten Erbteil. In allen anderen Fällen erhält der überlebende Ehegatte drei Viertel des gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil.

Schenkungen werden dem Nachlass zur Berechnung des Pflichtteils hinzugerechnet.  

Scheinverkauf und Pflichtteil im Türkischen Erbrecht

In der Praxis wird oft versucht, den Pflichtteil durch einen Scheinverkauf  zu Lebzeiten zu umgehen. Um ein Scheingeschäft handelt es sich dann, wenn nur zum Schein ein Kaufpreis vereinbart wird, tatsächlich aber beide Seiten übereinstimmen, dass kein Entgelt gezahlt wird. Ein solches Scheingeschäft sind wegen Formmangels (Art. 557 Abs. 4 ZGB) oder wegen Rechts- oder Sittenwidrigkeit (Art. 557 Abs. 3 ZGB) unwirksam und werden von den Gerichten auf Klage hin annulliert.

Um den Beweis eines Scheingeschäfts zu führen, sollte der Pflichtteilsberechtigte prüfen, ob  auf dem Konto des Verstorbenen tatsächlich  der angebliche Kaufpreis eingegangen ist. Ferner sollte geprüft werden, ob der (angeblich vereinbarte) Verkaufspreis tatsächlich marktgerecht oder zu niedrig ist. Von Interesse ist auch, warum der Verstorbene kurz vor seinem Tod einen Verkauf getätigt hat. Hat diese Handlung des Verstorbenen keinen berechtigten, ernsten oder vernünftigen Grund vorzuweisen, so kann das Gericht einen Scheinverkauf annehmen und den Kaufvertrag annullieren. Aber auch die anderen Erben können den Verkauf annullieren lassen und die Eintragung ihres gesetzlichen Erbanteils im Grundbuch betreiben.