Internationales Erbrecht (IPR) - USA

Vereinigte Staaten von Nordamerika

Rechtsgrundlagen

Internationales Übereinkommen und bilaterale Verträge

Washington Convention on International wills aufgenommen in den Uniform International Wills Act von Alaska, California, Colorado, Conneticut, DelawareIllinios, Michigan, Minnesota, Montana, New Hampshire, New Mexico, North Dakota, Oregon, Virginia; Haager Übereinkommen über das auf Trusts anzuwendende RechtFreundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der BRD und den USA vom 29.10.1954 für Maßnahmen der Nachlasssicherung.

Bundesrecht und Recht der US-Bundesstaaten

Verfassung, Gesetze der US-Bundesstaaten, common-law Regeln der US-Bundesstaaten.

Einführung

Mehrrechtsstaat

Es gibt es kein für alle US-Bundesstaaten einheitliches common-law (federal common-law), sondern nur das common-law des jeweiligen US-Bundesstaates.[1] Es gibt auch kein einheitliches Internationales Privatrecht.[2] Es gibt zwar Ansätze für eine Vereinheitlichung des Erbrecht durch den Uniform Probate Code der auch Bestimmungen über das Erbstatut enthalten, dieser versteht sich aber nur als unverbindliche Empfehlung für die Schaffung ähnlicher Gesetze in den einzelnen US-Bundesstaaten. 

Erbrechtliche Fragestellungen

Aus Sicht der USA sind nicht alle Sachverhalte, die aus deutscher Sicht "erbrechtlich" zu qualifizieren sind, der Rechtsnachfolge von Todes wegen (succession) zuzuordnen. So wird insbesondere das auf eine zu Lebzeiten errichtete Treuhand (living trust) und die Nachlassabwicklung (administration) anwendbare Recht abweichend bestimmt. 

Nachlassspaltung

Das Internationale Privatrecht der USA unterscheidet im Hinblick auf alle Fragen, die der Rechtsnachfolge von Todes wegen zuzuordnen sind, zwischen

  • dem beweglichen Nachlass (movables) und
  • unbeweglichem Nachlass (immovables). 

Dies wird als Nachlassspaltung (scission) bezeichnet. Beide "Spaltnachlässe" sind im Grundsatz gesondert zu betrachten. Für die Nachlassabwicklung (administration) gilt hingegen das Recht des Staates, dass den Nachlassabwickler (personal representative, executor, administrator) bestellt hat (lex fori).

Beweglicher Nachlass

Grundsatz

Nach US-amerikanischen Recht gilt im Grundsatz das Recht des letzten Domizils (domicile) des Erblassers.[3] Nach diesen Prinzipien werden im Grundsatz alle Fragen der Erbfolge (succession), z.B. gesetzliche Erbfolge (intestate succession), Erbunwürdigkeit, Erbfähigkeit, Erbquoten, Erbrecht des nichtehelichen und des adoptierten Kindes und seiner Verwandten, Auslegung des Testaments, entschieden. 

Materielle Wirksamkeit des Testaments

Im Grundsatz ist das gesamte Recht einschließlich des internationalen Privatrechts des Domizil-Staates des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes maßgeblich.[4] Beispiele von Fragen der materiellen Wirksamkeit sind die Verfügungsbeschränkung durch ein Noterbrecht, die Wirksamkeit einer Schenkung zu Gunsten eines Zeugen bei Testamentserrichtung, Unwirksamkeit wegen Zwang oder Täuschung (duress and undue influence) und die Frage, ob der Begünstigte ein Wahlrecht hat (election). Im Grundsatz ist der Zeitpunkt des Todes des Erblassers maßgebend. Betreffend die Frage der Testierfähigkeit ist der maßgebliche Zeitpunkt (Errichtung des Testaments oder Tod) nicht abschließend geklärt.[5]

Formelle Wirksamkeit des Testaments

Da durch den Umzug ein zunächst wirksam errichtetes Testament oft aus formellen Gründen unwirksam wurde, haben die meisten Bundestaaten insoweit gesetzliche Bestimmungen erlassen, die eine gewisse Rechtswahl ermöglichen (choice-of-law). Oftmals findet sich folgende Bestimmung, welche dem Model Execution of Wills Act § 7 (1940) entnommen wurde: „a will executed outside this state in a manner prescribed by this [state law], or a written will executed outside this state in a manner prescribed by the law of the place of its execution or by the law of the testator`s domicile at the time of its execution, shall have the same force and effect in this state as if executed in this state in compliance with the provisions of this State). Nach dem Uniform Probate Code sind die folgenden Formen anerkannt:

  1. Form des Errichtungsortes,  auch wenn der Erblasser nur zeitweise dort aufhielt, oder
  2. Form des Domizils zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments oder
  3. Form des Domizils zum Zeitpunkt des Todes oder
  4. Form des gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments oder
  5. Form des gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes oder
  6. Form des Staates der Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments oder
  7. Form des Staates der Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes. 

Formelle Wirksamkeit des Widerrufs eines Testaments

Im Grundsatz ist das Recht des Domizils des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes maßgeblich.[6]

Auslegung einer letztwilligen Verfügung 

Im Grundsatz gilt das Domizilrecht des Erblassers. Dabei wird zum Teil auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung, zum Teil aber auch auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers abgestellt.[7] Bestimmt der Testierende ausdrücklich oder konkludent die Anwendung von anderen Auslegungsregeln, so wird dies akzeptiert.

Rück- und Weiterverweisung

Im Common law ist nicht abschließend geklärt, ob bei Verweis auf das Recht eines anderen US-Bundesstaates oder eines anderen Staates nur dessen Sachnormen (local law) zur Anwendung kommt oder auch die Kollisionsregeln (choice-of-law) des US-Bundesstaates (State) oder anderen Staates (country) zu berücksichtigen ist und es somit zu einer Rück- oder Weiterverweisung kommen kann.[8] Manche US-Bundesstaaten haben diese Frage in ihren Gesetzen geregelt.

Unbeweglicher Nachlass

Grundsatz

Nach common-law Prinzipien ist bei unbeweglichem Vermögen im Grundsatz die lex rei sitae maßgeblich. Nach diesen Prinzipien werden im Grundsatz alle Fragen der Erbfolge (succession) entschieden.[9]

Testierfähigkeit

Nach allgemeiner Auffassung kommt es auf die lex rei sitae an. Der maßgebliche Zeitpunkt ist ungeklärt.  

Die formelle Wirksamkeit des Testaments

Nach den common-law Regeln ist das Recht des situs allein maßgeblich. Viele US-Bundesstaaten haben aber insoweit gesetzlich die Anerkennung anderer Formen erlaubt.

Materielle Wirksamkeit des Testaments

Fragen der materiellen Wirksamkeit eines Testaments (essential validity) richten sich uneingeschränkt nach der lex rei sitae. Im Hinblick auf Unterhalt aus dem Nachlass (support) gilt dies allerdings nicht.

Formelle Wirksamkeit des Widerrufs eines Testaments

Im Grundsatz ist das Recht des Situs zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers maßgeblich.[10] Die gilt unabhängig davon, ob das Testament durch den Willen des Erblassers oder durch gesetzliche Anordnung (operation of law) erfolgt. Dies gilt selbst dann, wenn Gesetze eines Bundesstaates bestimmen, dass für die Testamentserrichtung andere Formen anerkannt werden, da die Gesetze nach dem Verständnis amerikanischer Gerichte nur für die Errichtung, aber nicht für den Widerruf gelten.[11]

Auslegung einesTestaments

Es ist immer der wahre Wille des Testierenden zu erforschen. In einigen Entscheidungen wurde davon ausgegangen, dass der Testierende am stärksten mit dem Recht des Domizils vertraut ist und somit oftmals eine Vermutung für eine Auslegung nach dem Recht des Domizils des Erblassers spricht. Nach h.M. kommt es allerdings auf das Recht am Ort der Belegenheit des Gegenstands (lex rei sitae) an.

Rück- und Weiterverweisung

Im Common law ist nicht abschließend geklärt, ob bei Verweis auf das Recht eines anderen US-Bundesstaates oder eines anderen Staates nur dessen Sachnormen (local law) zur Anwendung kommt oder auch das internationale Privatrecht des US-Bundesstaates oder anderen Staates zu berücksichtigen ist (whole law) und es somit zu einer Rück- oder Weiterverweisung kommen kann.[12]


[1] Erie Railroad Co. v. Tompkins, 304 U.S. 64 (1938).

[2] Klaxon Company v. Stentor Electric Manufacturing Company, 313 U.S. 487 (1941).

[3] Restatement (Second) of Conflict of Laws § 260 (1971).

[4] McDougal / Felix / Whitten, American Conflicts Law, 5th edition, S. 650.

[5] Nach Restatement (Second) of Conflict of Laws § 263 kommt es auf den Zeitpunkt des Todes an. 

[6] McDougal / Felix / Whitten, American Conflicts Law, 5th edition, S. 658.

[7] McDougal / Felix / Whitten, American Conflicts Law, 5th edition, S. 661.

[8] Nach den Restatement (Second) of Conflict of Laws § 260 und 263 kommt es auf das Recht an, dass das Gericht des Domizils des Erblassers anwenden würde.

[9] Restatement (Second) of Conflict of Laws § 236 (1971).

[10] McDougal / Felix / Whitten, American Conflicts Law, 5th edition, S. 657.

[11] McDougal / Felix / Whitten, American Conflicts Law, 5th edition, S. 657.

[12]Nach Restatement (Second) of Conflict of Laws § 239 und 240  kommt es auf das Recht an, welches Recht aus Sicht des Gerichts am Ort der Belegenheit anzuwenden ist; für NY: In re Strauss‘ Estate, 75 Misc.2d 454, 347 N.Y.S.2d 840 (1973), wo im Hinblick auf die Sicht deutscher Gerichte die Anwendbarkeit deutschen Rechts angenommen wurde.