Frankreich: Fehlen eines Pflichtteils für die Kinder regelmäßig kein Verstoß gegen Ordre Public

Frankreich

In zwei Urteilen hat der Kassationsgerichtshof (Cour de Cassation) am 27.9.2017 (Cass Civ 1 du 27/09/17 n° 16-13151, n° 16-17198)  entschieden, dass ein vollständiger Ausschluss von Pflichtteilsansprüchen, der sich aus der Anwendung eines fremden Erbrechts (hier: Erbrecht des US-Bundesstaates Kalifornien) ergibt, im Regelfall keinen Verstoß gegen die Öffentliche Ordnung (ordre public) ist.

Die beiden entschiedenen Fälle waren – bis auf die Person des Erblassers – nahezu gleich: Michael Colombier und Maurice Jarre (Vater des Musikers Jean-Michel Jarre), zwei sehr bekannte französische Filmkomponisten, waren mehrfach verheiratet. Beide verzogen nach Kalifornien und hinterließen in Frankreich Kinder aus früheren Ehen.

Beide hatten durch Testament und Trust ihr Vermögen ausschließlich ihrer Ehegatten zugewandt. Die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) war noch nicht anwendbar, da die Erblasser vor dem 17.08.2015 verstarben. Da die Erblasser ihren Wohnsitz im US-Bundesstaat Kalifornien hatten und dort ihr Immobilienvermögen belegen war, war nach den Regeln des Kollisionsrechts der Republik Frankreich ausschließlich kalifornisches Erbrecht, das keinen Pflichtteil für die Kinder vorsieht, anwendbar.

Die Kinder verlangten den Pflichtteil nach französischem Recht und machten geltend, das Erbrecht des US-Bundesstaates Kalifornien sei nicht anwendbar, da der französische Pflichtteil von der  französischen öffentlichen Ordnung (ordre public) geschützt sei.

Das Berufungsgericht (Cour d’Appel)  wies die Klagen ab und das Höchste Gericht (Cour de Cassation) bestätigte die Entscheidung. Ein Verstoß gegen die französische Öffentliche Ordnung (ordre public) sei nicht anzunehmen, wenn das anwendbare Erbrecht keinen Pflichtteil kenne. Es sei auch hinzunehmen, dass es den volljährigen Kindern der Erblasser ein Pflichtteilsrecht versage, soweit sich die volljährigen Kinder nicht in einer finanziellen Notlage oder Bedürftigkeit befänden. Zudem sei zu beachten, dass die Erblasser schon seit mehr als 30 Jahren in den USA gelebt hätten und dort ihr Vermögen belegen sei.

Die Entscheidung betraft zwar Erbfälle vor Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO), ist aber auch für Fälle nach deren Inkrafttreten von Bedeutung, da die EuErbVO betreffend den ordre publlc auf das nationalen Recht verweist. Es ist auch zu erwarten, dass  die Entscheidungen bei deutschen Gerichten Beachtung findet.