EuGH, Urteil vom 17. 1. 2008 - C-256/ 06: Benachteiligende Bewertung von forst- und landwirtschaftlichen Vermögen verstößt gegen Kapitalverkehrsfreiheit

Europäische Union

Leitsätze des Urteils

Freier Kapitalverkehr – Beschränkungen – Erbschaftsteuer

(EG-Vertrag, Art. 73b Abs. 1 und Art. 73d [jetzt Art. 56 Abs. 1 EG und Art.58 EG])

Art. 73b Abs. 1 EG-Vertrag (jetzt Art. 56 Abs. 1 EG) in Verbindung mit Art. 73d EG-Vertrag (jetzt Art. 58 EG) ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die für die Berechnung der Steuer auf einen Nachlass, der aus in diesem Staat belegenem Vermögen und einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Vermögensgegenstand besteht,

– vorsieht, dass der in diesem anderen Mitgliedstaat belegene Vermögensgegenstand mit seinem gemeinen Wert angesetzt wird, während für einen gleichartigen inländischen Vermögensgegenstand ein besonderes Bewertungsverfahren gilt, dessen Ergebnisse durchschnittlich nur 10 v. H. dieses gemeinen Werts erreichen, und

– die Anwendung eines gegenstandsbezogenen Freibetrags sowie die Berücksichtigung des verbliebenen Werts lediglich in Höhe von 60 v. H. inländischem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen vorbehält.

Da nämlich eine solche Regelung darauf hinausläuft, dass ein Nachlass, der einen in einem anderen Mitgliedstaat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Vermögensgegenstand umfasst, im erstgenannten Mitgliedstaat einer höheren Erbschaftsteuer unterliegt, als dies der Fall wäre, wenn das den Nachlass bildende Vermögen ausschließlich im letztgenannten Staat belegen wäre, bewirkt sie eine Beschränkung des Kapitalverkehrs, weil sie den Wert eines Nachlasses mindert, der einen solchen im Ausland belegenen Vermögensgegenstand umfasst.

Eine solche nationale Regelung kann nicht mit der Begründung gerechtfertigt werden, sie hänge mit Situationen zusammen, die nicht objektiv vergleichbar seien, da die Berechnung der Erbschaftsteuern nach dieser Regelung unmittelbar an den Wert des zum Nachlass zählenden Vermögens anknüpft und somit objektiv keine unterschiedliche Situation vorliegt, die eine steuerliche Ungleichbehandlung in Bezug auf die Höhe der Erbschaftsteuer rechtfertigen könnte, die für einen im Inland bzw. einen in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Vermögensgegenstand anfällt.

Im Übrigen ist das Ziel, zu verhindern, dass die steuerliche Belastung von Nachlässen die Weiterführung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und damit die Aufrechterhaltung ihrer Sozialgebundenheit gefährdet, nicht geeignet, die in Rede stehende Regelung zu rechtfertigen, da nichts dafür spricht, dass sich die Betriebe in anderen Mitgliedstaaten nicht in einer vergleichbaren Situation wie die im Inland angesiedelten Betriebe befinden.

Das Gleiche gilt für etwaige Schwierigkeiten, die bei der Festsetzung des Werts eines in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Vermögensgegenstands nach einem besonderen nationalen Verfahren auftreten, da diese Schwierigkeiten keine hinreichende Rechtfertigung dafür sein können, die Gewährung der Steuervergünstigung kategorisch zu verweigern, wie sie sich aus der streitigen Regelung ergibt, die neben besagtem Bewertungsverfahren auch zwei weitere Steuervergünstigungen im Inland belegenem Vermögen vorbehält.

(vgl. Randnrn. 32, 43-44, 52, 54-55, 57 und Tenor)